Ecodesign allein wird den Markt nicht in Richtung Kreislaufwirtschaft lenken. Die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft setzt eine Änderung des Geschäftsmodells voraus.
Zusammenfassung
- Das derzeitige „Take-Make-Discard“-Modell des Entnehmens, Produzieren und Wegwerfen ist nicht nachhaltig und wird die Belastungsgrenzen unseres Planeten auf Dauer überstrapazieren.
- Doch die Kreislaufwirtschaft ist auch kein Patentrezept. Nachhaltigkeit muss in jede Phase des Lebenszyklus eines Produkts integriert werden.
- Viele Unternehmen setzen auf Ecodesign-Prinzipien oder auf Ökobilanzierung, um die negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu messen und zu verringern. Das reicht nicht aus – die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft erfordert eine Änderung des gesamten Geschäftsmodells.
- Kreislaufwirtschaft sollte nicht als alleinstehendes Konzept umgesetzt werden. Besser ist es, sie in die allgemeine Unternehmensstrategie zu integrieren und mit den längerfristigen Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens in Einklang zu bringen.
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In letzter Zeit ist „Kreislaufwirtschaft“ in Nachhaltigkeitskreisen zum Schlagwort geworden – und das aus gutem Grund. Die Erzeugung von „durchdachten Produkten, die weniger Abfall verursachen und länger halten“ (um die Definition der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, aufzugreifen) ist der Goldstandard für eine verantwortungsbewusste Geschäftstätigkeit.
Kurz gesagt: Ein zirkulärer Ansatz bedeutet, in Lebenszyklen zu denken. Es geht darum, die Lebensdauer eines Produkts zu berücksichtigen und darüber nachzudenken, wie es in Zukunft zu Abfall werden könnte (oder nicht). Es geht darum, Produkte zu entwickeln, die am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können. Mehr noch: Es geht darum, den Rohstoffverbrauch zu verringern, die Rohstoffnutzung vom Wachstum zu entkoppeln und bestehende Geschäftsmodelle radikal zu verändern.
Die Kreislaufwirtschaft ist jedoch kein Patentrezept und kein Allheilmittel für unsere Nachhaltigkeitsprobleme. Unternehmen sollten in Zukunft nicht nur nachhaltige Produktportfolios entwickeln (was an sich schon eine große Leistung wäre), sondern Nachhaltigkeit auch in jede Phase des Produktlebenszyklus einbauen. Nur so kann sichergestellt werden, dass „ökologisches Design“ jenen Wandel hervorruft, der bei Marken und in ganzen Branchen zwingend ansteht.
Unser lineares Modell hat ausgedient
Warum also ist ein Kreislaufansatz so wichtig? Nun, das derzeitige lineare „Make-Use-Discard“-Modell ist nicht nachhaltig und sprengt auf Dauer die Belastungsgrenzen unseres Planeten. Diese Belastungsgrenzen wurden vom Stockholm Resilience Center (SRC) in Form von neun Parametern festgelegt, innerhalb derer sich die Menschheit über Generationen hinweg weiterentwickeln und entfalten kann. Wenn wir sie überschreiten, haben wir ein massives Problem.
Zurzeit dominieren in unserer Wirtschaft die linearen Geschäftsmodelle. Tatsächlich werden EU-weit nur 12 % der Sekundärmaterialien und -ressourcen dem Wirtschaftskreislauf erneut zugeführt. „Viele Produkte gehen zu leicht kaputt, können nicht wiederverwendet, repariert oder recycelt werden oder sind nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt“, so Frans Timmermans, der für den Europäischen Green Deal zuständige Vizepräsident der EU-Kommission. „Es gibt sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Verbrauchern ein riesiges Potenzial.“
Viele Unternehmen stellen sich der Herausforderung und orientieren sich an den Grundsätzen von Ecodesign, um die Umweltauswirkungen ihrer Produkte in verschiedenen Lebensphasen zu verringern. Einige verwenden andere Rohstoffe, um ihre Produkte haltbarer zu machen. Andere konzentrieren sich auf das Ende des Lebenszyklus. Und wieder andere nehmen die Nutzungsphase unter die Lupe. In der Lebensmittelbranche liegt der Schwerpunkt beispielsweise auf dem Upcycling (komplette Verwertung von Lebensmitteln, die normalerweise im Restmüll oder im Kompost landen würden). In der Modebranche entwickeln einige Marken Kleidungsstücke, die weniger oft gewaschen werden müssen. In der Kosmetikbranche wird die Entwicklung von „Leave-on“-Makeup erforscht.
Aber Ecodesign allein wird die Kreislaufwirtschaft im Markt nicht durchsetzen, vor allem dann nicht, wenn die Ansätze bruchstückhaft bleiben. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft erfordert eine Änderung des Geschäftsmodells. Die Unternehmen müssen nicht nur ihre Produkte überdenken (welche Produkte sie anbieten und wie diese hergestellt werden), sondern auch ihre Marketingaktivitäten und die Art und Weise, wie sie mit ihren Verbraucherinnen und Verbrauchern und anderen wichtigen Akteuren der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Unternehmen aller Branchen verfolgen einen methodischen Ansatz zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft. Sie bilden die Lebenszyklen ihrer Produkte mithilfe der bewährten Lebenszyklusanalyse (LCA) ab, um die Auswirkungen jeder Produktionsphase zu quantifizieren und nachzuverfolgen. Richtig angewendet, kann eine Ökobilanz Unternehmen darin unterstützen, langfristige Ziele und Ambitionen zu erreichen, indem sie die Verschiebung von negativen Auswirkungen verhindert und sicherstellt, dass Auswirkungen nicht ignoriert werden, nur weil sie schwer zu messen sind.
Ein komplexes, aber wichtiges Geschäft
Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist ein komplexes Unterfangen. Erstens kann sie technisch herausfordernd sein, insbesondere bei bestimmten Produkten wie frischen Lebensmitteln. Einige Kreislaufmodelle können zu mehr Verlusten führen. Außerdem kann die Kreislaufwirtschaft auch soziale und kulturelle Herausforderungen mit sich bringen, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Verbraucher.
Ihre Einführung erfordert einen Wandel der Unternehmenskultur, und einen solchen herbeizuführen ist nie einfach. Das Produktdesign zu verändern bedeutet für die Teams, neue Einschränkungen, Erkenntnisse und Werkzeuge in ihre tägliche Arbeit zu integrieren. Ein Geschäftsmodell für ein Nischenprodukt oder ein Pilotprojekt zu ändern ist nicht so schwierig. Aber wenn das Geschäftsmodell für ein ganzes Portfolio geändert werden soll, kann das eine echte Herausforderung sein.
Und dann sind da noch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Nur weil eine Marke kreislauffähige Produkte oder Dienstleistungen anbietet, heißt das noch lange nicht, dass diese bei den Käufern auf Interesse und Begeisterung stoßen. Damit Menschen ihre Denkweise ändern, brauchen sie stetige Informationen und Anreize. Bei Kosmetika wird Zirkularität vor allem durch die Verpackung erreicht. Um Produkte wiederverwendbar zu machen, muss den Verbrauchern die Möglichkeit geboten werden, Behälter nachzufüllen. Das erhöht die Komplexität in hygienischer, sanitärer und logistischer Hinsicht.
In der Modebranche liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Design. Dabei geht es darum, die richtigen Materialien auszuwählen und die Kleidungsstücke langlebig zu machen, sodass sie repariert, weiterverkauft oder aufgearbeitet werden können. Doch allein durch die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Fasern ließe sich in der gesamten Wertschöpfungskette der Modebranche bestenfalls eine Emissionsreduzierung von 10 % erreichen. Die Emissionssenkungen, die die Branche in den nächsten Jahren erreichen muss, werden nur durch eine Kombination aus mehreren Faktoren zu realisieren sein: ein verbesserter Materialkreislauf, eine schnelle Umstellung auf erneuerbare Energiequellen, eine deutliche Steigerung der Effizienz des Produktionsprozesses und intelligentes Design.
Ein schwieriges Gleichgewicht finden
Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist letztlich ein Balanceakt. Die Unternehmen müssen sich bewusst machen und akzeptieren, dass die Kreislaufwirtschaft aus Kostensicht nicht unbedingt immer die Nase vorn hat. Trotzdem sollten sie den Status quo in Frage stellen und sich ambitionierte Ziele setzen.
Ein Kreislaufsystem sollte niemals um seiner selbst willen etabliert werden. Viel wirksamer ist es, nach Lösungen zu suchen und Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl die Umweltauswirkungen minimieren als auch für eine maximale nachhaltige Wertschöpfung sorgen. Das bedeutet, dass wir Kreislaufprinzipien niemals in ein System zwingen sollten, das für eine lineare Wirtschaft konzipiert ist. In diesem Fall können nämlich Bumerangeffekte, sogenannte „Rebound-Effekte“, entstehen. Ein Beispiel wäre die Schaffung eines umfangreichen Logistikablaufs zur Rückgewinnung von Materialien, die am Ende ihres Lebenszyklus weit verstreut sind und zu Recyclinganlagen transportiert werden müssen. Der CO2-Fußabdruck kann in diesem Fall weitaus größer ausfallen als bei der Herstellung von Material aus neuen Rohstoffen. Ein anderes Beispiel wäre die Einrichtung eines Rücknahmesystems, das den Lebenszyklus eines Produkts verkürzt und letztlich zu einem übermäßigen Verbrauch führt.
Radikales Umdenken: drei wesentliche Elemente, um den Paradigmenwechsel in der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben
Jedes Unternehmen sollte:
1. Verbraucherinnen und Verbraucher einbeziehen, um das Verantwortungsgefühl zu stärken.
Die Einstellung der Verbraucher – die sie durch ihr Konsumverhalten zum Ausdruck bringen – ist der Ausgangspunkt für zirkuläre Konsumsysteme. Für die Marken geht es darum, die Verbraucher zu ermutigen, ihr Kaufverhalten zu ändern und sich auf neue Produkte und andere Kommunikationsweisen mit den Marken einzulassen. Denn viele der vorgeschlagenen Strategien, die darauf abzielen, die Materialien im technischen Kreislauf zu halten – Wiederverwendung, Reparatur, Aufarbeitung und Recycling –, hängen von den Entscheidungen der Verbraucher ab. Dies gilt vor allem für die Modebranche. Schließlich ist Kreislaufverhalten nicht immer in den Konsummustern der Menschen verankert, und die erfolgreiche Umsetzung von Kreislauflösungen hängt davon ab, ob es gelingt, kulturelle Barrieren zu überwinden.
Die Kreislaufwirtschaft bietet jedoch die Möglichkeit, über mehrere Berührungspunkte mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Kontakt zu treten, das Bewusstsein dafür zu schärfen, was für eine Marke wichtig ist, und tiefere und dynamischere Beziehungen aufzubauen.
2. das breitere Ökosystem berücksichtigen, in dem die Regulierungsbehörde eine entscheidende Rolle spielt
Die Regulierungsbehörde spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Förderung eines geeigneten Umfeldes, das den Übergang zur Kreislaufwirtschaft erleichtert. Der neue EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, „die Kreislaufwirtschaft zur Normalität zu machen und den grünen Wandel unserer Wirtschaft zu beschleunigen“. Die Gesetze und politischen Maßnahmen, die sich daraus ergeben, werden dazu beitragen, einen Markt für Sekundärrohstoffe zu schaffen. Sie werden den Unternehmen auch geeignete Anreize dafür bieten, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, z. B. durch ökologische Steuerreformen.
Zudem wird die Regulierung in einer Zeit, in der das Vertrauen der Verbraucher eine unglaublich wertvolle Währung ist, für mehr Chancengleichheit sorgen und Greenwashing eindämmen.
3. mit der Lieferkette zusammenarbeiten und Digitalisierung und technologische Innovation nutzen.
Eine zirkuläre Denkweise ist gleichbedeutend mit Maßnahmen zur Umgestaltung von Geschäftsmodellen und -abläufen. Sie ermöglicht weitsichtige Entscheidungen und die Konzentration auf Innovation zur Erreichung langfristiger Ziele. Jede Umstellung des Produktportfolios sollte sich auf den Kern des Geschäfts richten, die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und eine Messung der Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft beinhalten.
Die Kreislaufwirtschaft zielt jedoch nicht nur darauf ab, die Leistung auf der Grundlage dieser Messungen zu verbessern. Sie ist eine Art der Geschäftstätigkeit und muss als solche zu einem integralen Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Es geht darum, mit der F&E-Abteilung zusammenzuarbeiten, um Optionen zu prüfen. Es geht um die Zusammenarbeit mit der Marketing- und der Vertriebsabteilung, um neue Technologien einzuführen. Es geht darum, jedes Produktdesign zu ökologisieren. Es geht darum, Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen in jeder Phase der Markteinführung von Produkten zum Standard zu machen.
Design für Nachhaltigkeit: Verankern von Nachhaltigkeit in jeder unternehmerischen Entscheidung
Bei der Kreislaufwirtschaft geht es darum, Produkte und Dienstleistungen von Anfang an nachhaltig zu konzipieren. Es gilt also, Geschäftsmodelle zu überdenken, um Umweltaspekte in das Design zu integrieren. Dies kann erreicht werden, indem bei der Produktentwicklung und beim Design der gesamte Lebenszyklus eines Produkts (einschließlich der vorgelagerten Phasen, der Nutzung und des Endes der Lebensdauer) ins Visier genommen wird. Auf diese Weise kann die Verschiebung der Auswirkungen von einer Phase auf die andere vermieden werden.
Nicht zu vergessen ist auch die wichtige, partnerschaftliche Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Umsetzung eines nachhaltigen Wandels. Der Markt sind wir alle, und wir alle können zu seinem Wandel beitragen.