Werden schadenorientierte Indikatoren, die sogenannten Endpoint-Indikatoren (Klima, Wasser, Biodiversität usw.), die durch Kreislaufstrategien beeinflusst werden können, außer Acht gelassen, können Chancen verpasst oder negative Umweltauswirkungen unbeabsichtigt verschoben werden.
In der Mode- und Sportartikelbranche gibt es derzeit kein aktuelleres Thema als die Kreislaufwirtschaft. Das Konzept ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen Modezukunft und hat dazu geführt, dass sich die Branche ein neues Ziel gesetzt hat: zu vermeiden, dass Bekleidung und Sportausrüstung zu Abfall werden. Doch um das Konzept der Kreislaufwirtschaft an die Modebranche anzupassen, muss anstelle der Frage „Wo müssen wir hin?“ die Frage „Wie kommen wir dorthin?“ gestellt werden. Es geht also um die schwierige Aufgabe, Design, Fertigung und Nutzung der Produkte neu zu denken.
Für Nachhaltigkeitsfachleute steht dieses „Wie“ an oberster Stelle: Es geht darum, wie die Kreislaufwirtschaft in Gang gebracht, priorisiert, gemessen und verfolgt werden kann. Im Folgenden gehen wir auf einige Diskussionen ein, die wir in letzter Zeit mit unseren Kundinnen und Kunden über Kreislaufwirtschaft geführt haben.
Ist Kreislaufwirtschaft ein eigenes, von anderen Systemen abgekoppeltes System? Oder muss sie in die Klima-, Wasser-, Biodiversitäts- und Kunststoffstrategien des Unternehmens integriert werden?
Eine Frage, die wir oft gestellt bekommen (und die in der Branche immer wieder für Diskussionen sorgt), lautet, inwieweit die Kreislaufwirtschaft mit der Nachhaltigkeits- oder ESG-Strategie eines Unternehmens verbunden ist oder sein sollte. Während die Kreislaufwirtschaft mitunter als eine Frage der Massenbilanz/Materialerfassung betrachtet wird, kann die Nichtbeachtung der Endpoint-Indikatoren, die durch Zirkularitätsstrategien positiv oder negativ beeinflusst werden können (Klima, Wasser, Biodiversität, Plastik usw.) dazu führen, dass Chancen verpasst oder unbeabsichtigte Klimaauswirkungen herbeigeführt werden.
Als eigenständiges, in sich geschlossenes System betrachtet, kann die Kreislaufwirtschaft anhand von Leckage-Raten, Rücklaufquoten und dem prozentualen Recycling-Anteil verfolgt werden. Dies zeichnet jedoch nur ein unvollständiges Bild. Marken müssen die Auswirkungen ihrer Kreislaufwirtschaftsstrategien auf die Endpunkte verstehen (insbesondere auf Systemebene).
Das klassischste Beispiel, das zeigt, warum dies wichtig ist, ist das der Rücklauflogistik. Wenn Marken kein Augenmerk auf den Rücktransport gebrauchter Produkte in die Sortier- oder Reparaturzentren legen, besteht die Gefahr, dass ein Großteil der Klimanutzen, die durch den verlängerten Gebrauch dieser Produkte entstehen, durch logistikbedingte Emissionen wieder zunichte gemacht werden. Dies ist häufig bei Kreislaufsystemen der Fall, bei denen nur die Leckage-Raten verfolgt werden. Hinzu kommt, dass der jährliche CO2-Fußabdruck einer Marke nicht einfach dadurch verringert wird, dass die Produkte länger bei den Verbrauchern bleiben. Reale Emissionssenkungen werden nur dann erzielt, wenn der durch gebrauchte Produkte generierte Umsatz im gleichen Maß steigt wie der durch die Produktion von neuen Kleidungsstücken generierte Umsatz sinkt. Wird dieses Ziel nicht erreicht, ist zu befürchten, dass die Integration der Kreislaufwirtschaft in die bestehende Geschäftsstrategie den Fußabdruck der betreffenden Marke nur vergrößert. Aber je nachdem, welche anderen Klimastrategien ein Unternehmen einsetzt, muss das kein negatives Endergebnis bedeuten. Wie ein Unternehmen diese Endpoint-Auswirkungen betrachtet – und angeht –, hängt davon ab, wie es die folgenden Fragen beantwortet:
- Inwieweit wollen wir zirkuläre Geschäftsmodelle einsetzen, um Umsatz- und Produktionswachstum zu entkoppeln?
- Wie wägen wir als Unternehmen die Kreislauffähigkeit von Materialien und Produkten gegen unsere Umweltziele in den Bereichen Klima, Wasser und Biodiversität ab?
Je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, kann die Kreislaufwirtschaft die Umweltstrategie um eine zusätzliche Dimension erweitern. Die Frage ist, ob die Kreislaufwirtschaft als Strategie eingesetzt wird, um Verbesserungen in den Bereichen Klima, Wasser und Biodiversität zu fördern und voranzutreiben (siehe erste Frage), ODER ob sie neben anderen Umweltstrategien umgesetzt und auf diese abgestimmt werden soll. Mit anderen Worten: Wenn Sie zirkuläre Geschäftsmodelle nicht als transformatives Instrument für Ihr Unternehmen einsetzen wollen, wie wägen Sie dann die Zielkonflikte zwischen der Kreislaufwirtschaft und Ihren anderen Zielen ab? Unabhängig davon müssen Unternehmen verstehen, dass diese Strategien miteinander verbunden sind und kongruent verfolgt werden sollten, um unbekannte Konsequenzen zu vermeiden.
Wie begünstigt die Rückverfolgbarkeit die Kreislaufwirtschaft, sowohl im vor- als auch im nachgelagerten Bereich?
Kreislaufsysteme zu verfolgen und zu verbessern ist ohne eine formale Rückverfolgbarkeitsstruktur nahezu unmöglich. Digitale IDs, Wasserzeichen, QR-Codes und RFIDs sind nur einige der Lösungen, die Marken zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit nutzen können. Welche Lösung die richtige ist, hängt von der Art des zu verfolgenden Produkts und vom Markt bzw. den Märkten, auf denen es angeboten wird, ab. Auch die Anpassungsfähigkeit, die von Recycling- und Sortierunternehmen verlangt wird, spielt eine Rolle. Von Rückverfolgbarkeitstechnologien können sowohl die vor- als auch die nachgelagerten Lieferketten profitieren:
- Vorgelagert/Upstream: Herkunftsnachweis und prozentualer Anteil an Post-Consumer-Recycling-Material (PCR)
- Nachgelagert/Downstream: Geringere Leckage-Raten (Materialprüfung), verbesserte Authentifizierung (besonders wichtig bei Luxusgütern) und Erstellung detaillierter Protokolle über die Eigentumshistorie (ähnlich wie bei Carfax), die zur Erhaltung des Wiederverkaufswerts beitragen können
Ist ein Engagement auf Sekundärmärkten rentabel?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz so einfach – und interessanterweise fällt sie je nachdem, ob es um Marken oder um ihre Drittdienstleister geht, etwas anders aus.
Diese würden sagen, dass sich für Marken, die sich auf Sekundärmärkten engagieren, enorme Chancen auftun, wie zum Beispiel eine Erweiterung des Marktes oder sprunghafte Umsatzsteigerungen im Jahresvergleich. Das wichtigste Verkaufsargument scheint jedoch zu sein, dass die Verbraucher immer Kleidung kaufen und verkaufen werden, gleich ob sich die Marken aktiv auf den Sekundärmärkten engagieren oder nicht. Das Ganze läuft also auf die Frage hinaus, ob sich die Marken ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Hier spielt die Musik. Die Sekundärmärkte wachsen zum ersten Mal schneller als der traditionelle Einzelhandel und die Umsätze aus dem Resale entwickeln sich zu einem sechsstelligen Geschäft für die in diesem Bereich führenden Unternehmen. Die Konsumentinnen und Konsumenten verkaufen ihre Kleidung und Sportausrüstung, unabhängig davon, ob es dafür eine Marken-Website gibt oder nicht.
Spricht man hingegen mit den Marken, so erzählen sie eine etwas andere Geschichte. Hier wird sehr schnell auf die Tatsache hingewiesen, dass mit diesen Programmen kein Geld zu verdienen ist. Viele sagen, dass sie Resale nur deshalb anbieten, weil sie glauben, dass dies aus ökologischer Sicht das Richtige ist. Deshalb werden wir von Marken, Einzelhändlern und Großhändlern oft gefragt, ob wir erwarten, dass der Wiederverkauf in Zukunft rentabler werden wird als traditionelle Geschäftsmodelle, und wenn ja, wann. Die Antwort? Nun, es kommt darauf an. Die Antworten, die die Marken auf die folgenden Fragen geben, bestimmen in hohem Maße, wie sehr ihre Erfahrungen auf den Sekundärmärkten denen der Drittdienstleister entsprechen:
- Ist dieses System für uns nicht nur eine zusätzliche Einnahmenquelle, sondern bietet es uns auch die Möglichkeit, die Verbraucher stärker einzubinden (und welchen finanziellen Wert hat das für unsere Marke)?
- Welche Nutzen hat dieses System für die Umwelt?
- Wie können wir auf andere Weise vom Resale und von der Vermietung profitieren (z. B. indem wir eine Veränderung des Verbraucherverhaltens weg vom übermäßigen Konsum fördern)?
Ähnlich wie bei der Frage, ob die Kreislaufwirtschaftsstrategie als eigenständiges System umgesetzt oder in andere Strategien und Systeme integriert werden sollte, gibt es auch hier keine allgemeingültige Antwort. Die Marken müssen sich nicht nur fragen, was sie mit einer Wiederverkaufs- oder Vermietungsstrategie erreichen wollen, sondern auch, ob diese Strategie für ihre ökologischen Ambitionen förderlich oder hinderlich ist. Sie sollten sich auch die Frage stellen, ob der Mehrwert bei Kundenbindung, Markentreue und Markenwiedererkennung ausreichend ist. Oft lautet die Antwort ja – es geht nur darum, das richtige System für die eigenen Ambitionen als Marke auszuwählen.
Zeit für einen Paradigmenwechsel
Da die Kreislaufwirtschaft bei Verbrauchern, Interessengruppen und ganzen Märkten zunehmend in den Fokus rückt, müssen Marken in der Mode- und Sportartikelbranche erkennen, dass Untätigkeit wahrscheinlich mehr schadet als nützt. Es ist an der Zeit, sich von dem linearen „Take-make-waste“-Ansatz des Ausbeutens, Produzierens und Wegwerfens zu lösen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, mit denen sich Nachhaltigkeitsziele leichter erreichen lassen.
Der Ansatz, den wir den Branchenakteuren vorschlagen, ist sowohl strategisch als auch taktisch. Strategisch in dem Sinne, dass wir ihnen empfehlen, den Kreislaufansatz sowohl in die Nachhaltigkeitsvision des Unternehmens als auch in die Unternehmenskultur einzubetten. Taktisch in dem Sinne, dass wir ihnen empfehlen, den Kreislaufgedanken in eine umfassende Umweltstrategie zu integrieren, die über den CO2-Fußabdruck hinausgeht. Strategie und Taktik – das sind für uns bei Quantis zwei wichtige Prioritäten, wenn es darum geht, gemeinsam mit Organisationen die Wirtschaft mit der Natur in Einklang zu bringen und eine positive Zukunft für den Menschen, für den Planeten und für Unternehmen zu gestalten.