Die Pharmaindustrie ist in hohem Maße von natürlichen Ressourcen abhängig, dadurch besteht eine starke Anfälligkeit für naturbedingte Risiken und klimabedingte Störungen. Um ihre Kern-Aufgaben auch in Zukunft erfüllen zu können, muss sie Praktiken anwenden, die ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen und Anpassungen ermöglichen.
Zusammenfassung:
- Die Pharmaindustrie ist für die globale Gesundheit wichtig, da sie Arzneimittel zur Behandlung von Patientinnen und Patienten liefert. Allerdings setzt sie auch einen gesunden Planeten voraus.
- Die Branche ist auf die Natur als Lieferant von Wirk- und Rohstoffen angewiesen. Gleichzeitig ist sie durch ihr Handeln aber auch maßgeblich an ihrer Zerstörung beteiligt. Es braucht unbedingt geeignete Schutzmaßnahmen, um eine stabile Versorgung gewährleisten und die Ökosysteme schützen zu können.
- Für die Herstellung von Arzneimitteln wird sehr viel Wasser benötigt. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Ressource ist also unerlässlich.
- Die Kunststoffverpackungen von Arzneimitteln verursachen Probleme beim Recycling und belasten die Umwelt. Es ist höchste Zeit, nachhaltige Alternativen zu finden.
- Eine nachhaltige Pharmaindustrie erfordert neben innovativen Konzepten die Zusammenarbeit aller Beteiligten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Außerdem reicht es nicht aus, nur die Vorschriften einzuhalten.
Die Branche trägt seit langem entscheidend dazu bei, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt zu fördern. Sie erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt Arzneimittel und Impfstoffe zur Vorbeugung und Heilung von Krankheiten. Darüber hinaus ist sie ein wichtiger Wirtschaftsmotor, der rund 1,8 Milliarden US-Dollar zum weltweiten BIP beiträgt.
Mit ihrem Wachstum (bis 2030 beträgt der Umsatz voraussichtlich über 2,4 Billionen US-Dollar) stellt sich jedoch eine komplexe Herausforderung: Wie soll die Pharmaindustrie die Menschen mit (genügend) qualitativ hochwertigen, innovativen und sicheren Arzneimitteln versorgen und gleichzeitig die Auswirkungen auf und die Abhängigkeiten von der Natur verringern?
Damit die Branche auch in Zukunft die Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen verbessern kann, muss sie auf nachhaltige Praktiken setzen. Nur so kann sie ihre negativen Auswirkungen auf das Klima, aber auch auf die biologische Vielfalt, die Wasserverschmutzung und die Verschmutzung durch Plastikmüll (und damit auf die Gesundheit von Mensch und Ökosystem) reduzieren.
Im Balanceakt zwischen pharmazeutischer Innovation und Umweltschutz haben wir eine klare Aufgabe zu erfüllen: Wir müssen eine harmonische Zukunft schaffen, in der sich lebensrettende Arzneimittel und florierende Ökosysteme nicht ausschließen. Unser gegenwärtiges Handeln auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit wird nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben, sondern auch auf die unseres Planeten.
Die biologische Vielfalt als Apotheke der Natur
Die Vielfalt der Arten und Lebensgemeinschaften auf der Erde sowie die darin vorkommende genetische Vielfalt sind seit Jahrhunderten eine Quelle der Inspiration und ein Heilmittel zur Behandlung menschlicher Leiden. Insbesondere Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen sind mit ihren natürlichen Inhaltsstoffen und Eigenschaften seit jeher eine Schatzkammer für die Entwicklung von Arzneimitteln. Etwa 80 % der zugelassenen Arzneimittel sind pflanzlichen Ursprungs oder wurden von Pflanzen inspiriert. In weiten Teilen der Welt sind traditionelle Arzneimittel aus pflanzlichen und tierischen Quellen nach wie vor die wichtigste Behandlungsgrundlage.
Intakte Ökosysteme sind für die menschliche Gesundheit unverzichtbar.
Der Rückgang der genetischen und biologischen Vielfalt ist auf nicht nachhaltiges menschliches Handeln (z. B. Raubbau, Umweltverschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen) zurückzuführen. Dies schadet den Ökosystemen und gefährdet damit unsere eigenen Möglichkeiten, neue Arzneimittel und Medikamente zu entwickeln. Aufgrund dieser Entwicklung könnten wertvolle Wirkstoffe und Moleküle verschwinden, bevor sie überhaupt entdeckt werden. Und dabei entgehen uns bereits jetzt wertvolle Ressourcen. Da immer mehr Pflanzenarten aussterben, geht die Forschung davon aus, dass alle zwei Jahre mindestens ein unentdeckter Wirkstoff verloren geht. Dies birgt Gefahren für die menschliche Gesundheit und kann Unternehmen daran hindern, geeignete Mittel für derzeit unheilbare Krankheiten zu finden.
Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur ein moralisches Gebot. Denn nur so kann eine kontinuierliche Versorgung mit Wirkstoffen zur Herstellung von Arzneimitteln gewährleistet werden.
Pharmaunternehmen, die jetzt etwas gegen ihre negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt unternehmen, sichern gleichzeitig die Zukunft der biomedizinischen Forschung. Es können neue Wirkstoffe entdeckt und entwickelt werden, was letztlich unsere Gesundheit gewährleistet. Und nicht zuletzt können Pharmaunternehmen auch im Hinblick auf andere wichtige und zusammenhängende Umweltthemen wie den Klimawandel Fortschritte erzielen.
Um sich auf diese Transformation einzulassen, müssen Unternehmen:
- verstehen, inwiefern sie von der biologischen Vielfalt abhängig sind und diese beeinflussen, indem sie eine entsprechende Folgenabschätzung durchführen;
- eine umfassende Umweltstrategie festlegen, um maßgebliche Faktoren für den Verlust der biologischen Vielfalt anzugehen, u. a. Klimawandel, veränderte Landnutzung, Überkonsum, Wasserverschmutzung, Belastung durch Kunststoffe;
- geeignete Governance-Strukturen und -Mechanismen schaffen, um diese Strategien erfolgreich umsetzen zu können;
- eine Zusammenarbeit mit allen Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und innerhalb der Branche eingehen, um den systemischen Wandel zu beschleunigen.
Wie sich Pharmaunternehmen mit Wasser über Wasser halten
Wasserqualität und -versorgung spielen in puncto Nachhaltigkeit für die Pharmaindustrie eine entscheidende Rolle. Die Unternehmen sind in hohem Maße von Wasser abhängig und haben direkte und indirekte Auswirkungen auf diesen für den Betrieb entscheidenden Rohstoff. Ändern sich Wasserqualität oder -verfügbarkeit (oder steigen die Kosten), führt dies zu erheblichen Risiken und die Herstellung neuer und bereits zugelassener Arzneimittel wird behindert.
Schon jetzt werden viele Unternehmen aktiv, um die Risiken durch Wassersparmaßnahmen einzudämmen. Sie nutzen Wasseraufbereitungs- und moderne Abwasserbehandlungsanlagen, konzentrieren sich aber weitgehend auf die Entwicklung und Herstellung der Arzneimittel sowie auf den eigenen Betrieb. Maßnahmen in anderen Bereichen der Wertschöpfungskette, die mit der Rohstoffnutzung und der Arzneimittelverwendung durch die Patienten verbunden sind, bleiben in der Regel ein blinder Fleck.
Unternehmen sind nur dann überlebensfähig, wenn die Branche den verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Wasser in der gesamten Wertschöpfungskette zur Priorität macht. Dazu gehören auch Investitionen in wasserschonende Technologien und die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Auf diese Weise können Herausforderungen gemeinsam bewältigt und Risiken, die mit dem Wassereinzugsgebiet zusammenhängen (z. B. der zunehmende Wettbewerb um die lokale Wassernutzung), eingedämmt werden.
Erste Schritte zur Minderung aktueller und künftiger Risiken für die Wasserwirtschaft:
- Ermitteln Sie die Wasserrisiken: Führen Sie eine sorgfältige Bewertung Ihrer Abhängigkeiten und Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette durch. So erkennen Sie bestehende und potenzielle Risiken, einschließlich solcher, die mit dem Austreten von pharmazeutischen Wirkstoffen (APIs) in die Umwelt und den Folgen für Rohstoffe zusammenhängen. Arbeiten Sie mit Fachleuten zusammen, um sich ein umfassendes Bild von den anstehenden Herausforderungen zu machen.
- Setzen Sie sich wissenschaftsbasierte Ziele, die auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmt sind: Machen Sie sich bewusst, dass die Herausforderungen in Bezug auf die Wasserversorgung uns alle betreffen. Legen Sie kontextspezifische Ziele in den wichtigsten Wassereinzugsgebieten fest. Wenn Pharmaunternehmen standortspezifische Risiken besser verstehen und angemessen darauf reagieren, können sie einen Beitrag für ihre eigene Wassersicherheit leisten. Gleichzeitig kommt dies den umliegenden Gemeinden sowie der langfristigen Gesundheit und Nachhaltigkeit der Umwelt zugute.
- Führen Sie „Water Stewardship“-Programme für eine nachhaltige Wassernutzung ein: Verlagern Sie den Schwerpunkt von Wassermanagement auf Water Stewardship, also einen verantwortungsbewussten Umgang mit Wasser. Arbeiten Sie zudem mit allen beteiligten Parteien zusammen. So können Sie in den wichtigsten Einzugsgebieten, in denen die Pharmaunternehmen tätig sind, Lösungen für gemeinsame Herausforderungen erarbeiten. Führen Sie Pilotprogramme ein, die auf eine effiziente Wassernutzung innerhalb der Standortgrenzen, eine gute Wasserqualität und kollektive Handlungsmöglichkeiten innerhalb des Einzugsgebiets ausgerichtet sind. Dadurch können Sie Risiken mindern und gleichzeitig eine Vorreiterrolle bei der Erarbeitung von Lösungen, die sowohl der Branche als auch den lokalen Gemeinden zugutekommen, einnehmen.
Verschmutzung durch Plastikmüll: eine wachsende Herausforderung
Verpackungen und Verabreichungsgeräte erfüllen in der Pharmaindustrie eine wichtige Funktion. Sie gewährleisten die Unversehrtheit der Produkte und somit auch die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Allerdings verwendet die überwiegende Mehrheit der Pharmahersteller Einwegkunststoffe, um ihre Produkte zu verpacken und in einigen Fällen auch, um den Patienten die Arzneimittel zu verabreichen. Dies geschieht aufgrund von Branchenvorschriften, Sicherheitsaspekten und Gewohnheiten und trägt damit zur weltweiten Verschmutzung durch Plastikmüll bei. Dieses Problem wird durch die kritische Lage im Bereich des Kunststoffrecyclings noch verschärft. Tatsächlich werden weniger als 10 % der auf dem Markt befindlichen Kunststoffe recycelt.
Die Auswirkungen der Verschmutzung durch Plastikmüll sind gravierend. Das weggeworfene Plastik belastet die Mülldeponien, verunstaltet die Strände und verschmutzt die Meere. Außerdem gelangen dadurch Schadstoffe in die Umwelt, die sowohl das Ökosystem als auch die Gesundheit der Menschen bedrohen. Und genau gegen diese negativen Auswirkungen will die Branche vorgehen. Mittlerweile sind auch die Patienten angesichts der Dringlichkeit, dieses Problem in Angriff zu nehmen, zunehmend besorgt. Die Folge sind sowohl Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit als auch entsprechende Gesetze, die erhebliche Auswirkungen auf die Pharmaunternehmen haben werden.
Dazu gehört auch die überarbeitete EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) (noch im Entwurf). Sie sieht vor, dass bis Januar 2035 alle Verpackungen von Arzneimitteln wiederverwendbar sind und aus einem Mindestanteil an recyceltem Material hergestellt sein müssen. Außerdem müssen die Verpackungen auf das notwendige Mindestmaß reduziert werden. Diese Anforderungen stellen die Branche vor einzigartige Herausforderungen: Es wird Zeit und Investitionen erfordern, praktikable Lösungen zur Verringerung der Umweltauswirkungen durch Verpackungsmüll zu finden. Gleichzeitig müssen die hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards, die für Pharmaerzeugnisse gelten, eingehalten werden.
Leitprinzipien für die Verringerung der Auswirkungen von Arzneimittelverpackungen:
- Optimieren Sie die Verpackungen: Verzichten Sie auf unnötige Verpackungselemente, ohne dabei die Produktsicherheit zu beeinträchtigen. Schlanke Verpackungen reduzieren nicht nur den Abfall, sondern können auch dazu beitragen, andere Umweltbelastungen zu minimieren.
- Erhöhen Sie den Anteil an recyceltem Material: Verwenden Sie bei Verpackungen wo immer möglich einen höheren Anteil an recyceltem Material. Behalten Sie dabei die Qualitätsanforderungen im Blick und fördern Sie die Kreislaufwirtschaft. Dadurch können Sie den Gesamtbedarf an neuen Rohstoffen reduzieren.
- Entwickeln Sie Produkte, die recycelbar sind: Verpackungen sollen leicht in ihre Einzelteile zerlegbar sein. Sie sollten bevorzugt aus umweltverträglichen Materialien gefertigt sein, die die Kriterien des Entwurfs der EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle erfüllen.
- Informieren Sie Ihre Patientinnen und Patienten: Sorgen Sie dafür, dass die Patienten erfahren, wie sie die Verpackungen nach dem Gebrauch ordnungsgemäß entsorgen können.
Engagieren Sie sich für eine nachhaltige Zukunft
Die Pharmaindustrie befindet sich bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft der Gesundheitsversorgung an einem Wendepunkt. Es reicht nicht mehr aus, sich nur mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Es wird keine leichte Aufgabe, die Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Arzneimitteln und den Schutz der Natur unter einen Hut zu bringen. Allerdings haben weder die Branche noch wir Menschen eine andere Wahl, als uns dieser Aufgabe zu stellen. Durch den Einsatz innovativer Technologien, brancheninterne und branchenübergreifende Zusammenarbeit sowie die Einhaltung strenger Vorschriften kann die Schaffung einer gesünderen und nachhaltigeren Welt gelingen. In der Zukunft sollen die Fortschritte der Pharmaindustrie nicht nur unserer Gesundheit, sondern auch der Gesundheit des Planeten zugutekommen.
CONTRIBUTORS
+ Edith Martin, Global Biodiversity Lead
+ Tatiana Fedotova, Global Water Lead
+ Laura Peano, Global Plastics + Packaging Lead
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