Die Ergebnisse der COP27 zeigen mehr denn je auf, dass die Privatwirtschaft eine Führungsrolle übernehmen und sich für die Ziele zum Schutz unseres Planeten einsetzen muss.
Im Vorfeld einer jeden Konferenz der Vertragsstaaten (COP) muss über das in den vergangenen 12 Monaten Erreichte nachgedacht und Bilanz gezogen werden, denn die Uhr des Planeten tickt weiter. Der Auftakt der diesjährigen Ausgabe stand im Zeichen der Befürchtung, dass die Umsetzung der Zusagen von Glasgow nur langsam vorankommt und die Emissionen nach COVID wieder rapide ansteigen. Die im Juni veröffentlichten Zahlen zeigen einen jährlichen Anstieg von über sechs Prozent und einen neuen Rekordwert.
Vor diesem Hintergrund wurde die Dringlichkeit zu Beginn der Beratungen in Sharm El Sheikh noch deutlicher. Wie Simon Steill, Exekutivsekretär des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), in seiner Eröffnungsrede feststellte, gilt: „Die COP21 in Paris hat uns aufgezeigt, was wir tun müssen, die COP26 in Glasgow hat deutlich gemacht, wie wir vorzugehen haben, und auf der COP27 in Sharm El Sheikh geht es darum, den Worten Taten folgen zu lassen.“
Die Forderungen im Abschlussdokument der COP27 haben die Erwartungen nicht erfüllt. Es gibt keine Pläne, die Verpflichtung zur schrittweisen Einstellung der Kohleemissionen auf alle fossilen Brennstoffe auszuweiten. Desweiteren fehlt die Forderung nach einem maximalen Höchststand der Treibhausgasemissionen bis 2025, wie es zur Erfüllung der Vorgaben des Pariser Abkommens erforderlich wäre. Mehr denn je muss jetzt die Privatwirtschaft eine Führungsrolle übernehmen und sich für die Ziele zum Schutz unseres Planeten einsetzen.
Nichtsdestotrotz hat es auf der COP27 eine Reihe bemerkenswerter Ereignisse gegeben. Diese reichen aus, um dem Handeln der Wirtschaft im Wettlauf gegen die Zeit etwas Antrieb zu verschaffen.
Die wichtigsten Entwicklungen auf der COP27
+ Bemerkenswerte Neuerungen. Der globale Süden und jene Länder, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, erhielten zum ersten Mal eine Plattform. Auf der COP27 wurden Ausgleichszahlungen und finanzielle Investitionen zur Minderung der Klimaschäden gefordert, die durch die vom globalen Norden ausgelöste Klimakrise verursacht wurden.
Im Laufe der zwei Wochen wurde das „Loss and Damage“-Konzept immer greifbarer, und dank des unermüdlichen Einsatzes derjenigen, die unmittelbar mit der Krise konfrontiert sind, wurde schließlich eine wichtige Finanzierungszusage in das finale Papier aufgenommen.
+ Die Themen Anpassungsfähigkeit und Resilienz stehen endlich im Mittelpunkt. Als Reaktion auf extreme klimatische Vorkommnisse wie die Überschwemmungen, die in diesem Jahr weite Teile Pakistans verwüstet haben, wurde auf der COP27 die Anpassungsagenda von Sharm-El-Sheikh auf den Weg gebracht. Mit dieser Agenda soll die weltweite Unterstützung über 30 Maßnahmen gebündelt werden. Diese sind notwendig, um bis 2030 eine resiliente Welt zu schaffen. Dazu gehören Ziele wie der Übergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft, mit der sich sowohl die Erträge steigern als auch die Emissionen reduzieren lassen. Allerdings steht die Festlegung eines konkreten Anpassungsziels noch aus, und bislang wurden nicht einmal 15 % der erforderlichen Finanzmittel aufgebracht.
+ Manche halten das 1,5-Grad-Ziel für durchaus realisierbar. Auch wenn mehr und mehr Teilnehmende an der Realisierbarkeit des 1,5-Grad-Ziels zweifelten, stand dieses Thema in der Wirtschaft nicht zur Diskussion. Die auf der COP vertretenen Unternehmen sprachen sich lautstark für die Notwendigkeit von Fortschritten seitens der Regierungen im Hinblick auf Vorschriften und Normen aus, die die weltweite Neuausrichtung der Privatwirtschaft erleichtern. Ferner wurde vermeldet, dass sich die Zahl der Unternehmen, die sich wissenschafts-basierte Ziele (Science-Based Targets – SBT) gesetzt haben, seit der COP26 verdoppelt hat: Mehr als 1800 Unternehmen haben ihre SBT-Ziele validiert und 4000 haben sich verpflichtet, solche Ziele zu setzen.
+ Brasilien ist zurück und damit auch das Thema Wald. Der zu neuen Kräften gekommene Präsident des Landes, Luiz Inácio Lula da Silva, legte die Messlatte hoch, als er die brasilianische Agrarindustrie als „strategischen Verbündeten“ bei seinen Bemühungen um eine zunehmend regenerative und nachhaltige Landwirtschaft bezeichnete. Gleichzeitig kündigte er Pläne an, der Abholzung im Amazonasgebiet Einhalt zu gebieten und enger mit dem Kongo und Indonesien zusammenzuarbeiten, um den weltweit größten Tropenwald zu schützen.
Themen der COP27, die Unternehmen bei ihrem Übergang zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen
+ Den „Tunnelblick“ auf Kohlenstoff in Frage stellen. Auch wenn die Dekarbonisierung und die Notwendigkeit, sie zu beschleunigen, auf der COP immer noch im Mittelpunkt standen, setzte sich doch zunehmend die Erkenntnis durch, dass es bei der Bewältigung der Klimakrise um mehr als nur um die Senkung der Emissionen geht. Im Abschlussdokument der COP27 wurde zwar keine Verbindung zu Biodiversität hergestellt, aber zum ersten Mal fand der Begriff „naturbasierte Lösungen“ Eingang in das finale Papier der COP, womit die Staats- und Regierungschefs endlich anerkannten, dass der Schutz der biologischen Vielfalt auch dem Schutz des Pariser Abkommens dient.
Biodiversität ist jetzt zweifellos ein Thema für die Wirtschaft und die Beweise dafür sind überzeugend: 50 % des weltweiten BIP hängen direkt von den Leistungen der Natur ab. Immer mehr Unternehmen begreifen, dass es nicht zielführend ist, den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität isoliert voneinander anzugehen. Probleme im Zusammenhang mit der Natur dürfen im Vergleich zur Klimafrage nicht als zweitrangig oder weniger wichtig betrachtet werden – Maßnahmen in einem Bereich haben Auswirkungen auf den anderen.
Ein Beispiel ist die Initiative „Mangrove Breakthrough“, die darauf abzielt, die für die Wiederherstellung und den Schutz dieser lebenswichtigen Küstenwälder erforderlichen Finanzmittel aufzubringen. Durch die Umsetzung dieser Initiative wird nicht nur die biologische Vielfalt erhalten, sondern es werden auch Nahrungsquellen geschützt. Ferner wird dem Boden eine Art Puffer zum Schutz vor Küstenerosion geboten und die Rolle der Mangroven als effektive Kohlenstoffsenke gesichert.
+ Falschen Fortschrittsbehauptungen einen Riegel vorschieben. Im Rahmen der COP27 wurde auch rigoros gegen das „Greenwashing“ von Unternehmen vorgegangen. Eine Reihe neuer Empfehlungen der hochrangigen UN-Sachverständigengruppe soll auf die „Race to Zero“-Kampagne und die Science-Based Targets-Initiative aufbauen. Sie bieten Unternehmen und Investoren einen zeitlichen Rahmen für die Verwirklichung von Netto-Null-Zielen, basierend auf kurz-, mittel- und langfristigen Zielen. Vor dem Hintergrund dieser Empfehlungen müssen Unternehmen mit einer verstärkten Kontrolle durch die Klimabehörden rechnen. Es wird erwartet, dass sie ihre Fortschritte genau beobachten und darüber Bericht erstatten.
Dahinter verbirgt sich die Botschaft, dass die Unternehmen von freiwilligen Maßnahmen zu einer Offenlegung übergehen sollten, die durch Auflagen zur Erreichung öffentlicher Netto-Null-Ziele geregelt ist. Es müssen aber auch noch andere wichtige Überlegungen angestellt werden. Zum einen sollten Unternehmen nicht mehr behaupten, ihre Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren, wenn sie weiterhin auf fossile Brennstoffe setzen oder in diese investieren, oder die Abholzung von Wäldern und andere umweltschädliche Aktivitäten unterstützen. Zum anderen sollten sich die Unternehmen in erster Linie darauf konzentrieren, ihre Emissionen zu reduzieren, anstatt Emissionsgutschriften zu kaufen, die nur als letztes Mittel zum Ausgleich schwer zu reduzierender Emissionen verwendet werden sollten.
Aus den Empfehlungen geht auch klar hervor, dass sich die Unternehmen nicht nach außen hin zu Netto-Null verpflichten können, während sie weiterhin mit Gruppen zusammenarbeiten, beispielsweise mit Handelsverbänden, die hinter den Kulissen Lobbyarbeit betreiben, um die Klimapolitik zu untergraben.
+ Zusammenarbeit für mehr Transparenz. Weitere wichtige Themen auf der COP waren die Verbesserung von Transparenz und Rechenschaftspflicht sowie die Forderung nach koordinierten Maßnahmen zur Bekämpfung von Umweltproblemen. Schließlich kann kein einzelner Akteur die Vorgaben des Pariser Abkommens im Alleingang erfüllen. Es hat sich gezeigt, dass es gerade die Zusammenarbeit ist, die zu mehr Transparenz führen kann.
Auch wenn die Kosmetikindustrie kein zentrales Thema auf der COP war, so sind aus dieser Branche doch einige Ansätze bekannt, die für andere Branchen als Vorbild dienen können, wenn es um Transparenz und Rechenschaftspflicht geht. Das EcoBeautyScore-Konsortium wäre hier im Hinblick auf beide Aspekte als Beispiel zu nennen. Die mehr als 50 Mitglieder umfassende Initiative entwickelt ein branchenweit gültiges Umweltverträglichkeitsprüfungs- und Bewertungssystem für Kosmetikprodukte, das klare, transparente und vergleichbare Informationen über die Umweltauswirkungen liefert. Ein weiteres Beispiel ist die Sustainable Packaging Initiative for Cosmetics (SPICE).
+ Ein neuer, ganzheitlicher Ansatz in der Modebranche. Die Bekleidungsindustrie spielt im Rahmen der gesamten Klimaschutzagenda eine entscheidende Rolle und die gemeinnützige Organisation Global Fashion Agenda (GFA) hat auf der COP einige kritische Fragen angesprochen.
Vor diesem Hintergrund wurde unter anderem der Start einer gezielten Konsultation der Modeindustrie (Fashion Industry Target Consultation) angekündigt. Ziel ist es, die Branche auf eine Reihe ganzheitlicher Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Diese Ziele beschränken sich nicht nur auf die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, sondern umfassen auch die Verringerung des Einsatzes von Rohstoffen, die Einführung existenzsichernder Löhne und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen für alle sowie den Schutz der Natur. Die GFA, die enge Beziehungen zu den Vereinten Nationen pflegt, unterstrich, dass diese Bereiche in die Diskussion über den Klimawandel mit einbezogen werden müssen, und zwar als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zur Schaffung einer für die Menschen und den Planeten positiven Industrie.
Darüber hinaus haben die Charta für Klimaschutz in der Modeindustrie (Fashion Industry Charter for Climate Action) des UNFCCC und die Vereinigung Sustainable Apparel Coalition einen Aufruf zur Abgabe von Feedback über neue Leitlinien für die Messung von Scope-3-Emissionen veröffentlicht, um mehr Einheitlichkeit in der Branche zu erreichen.
+ Ein Meilenstein für die Lebensmittelindustrie. Zum ersten Mal in der Geschichte der Klimaverhandlungen wurde ein ganzer Tag der Landwirtschaft und den Lebensmitteln gewidmet. Dabei wurde die Frage, wie die Emissionen in diesem Sektor gesenkt werden können, stärker als je zuvor in den Vordergrund gerückt. So haben sich mehr Länder dafür entschieden, einen globalen Pakt zur Reduzierung der Methanemissionen bei gleichzeitiger Sicherung der Nahrungsmittelversorgung und Ernährung der ständig wachsenden Weltbevölkerung zu unterzeichnen.
Nach Angaben der Global Alliance for the Future of Food sind die Systeme der Ernährungswirtschaft für etwa ein Drittel der Emissionen verantwortlich. Allerdings fließen nur drei Prozent der Klimafinanzierung in diese Systeme. Vor diesem Hintergrund haben die ägyptische Regierung und die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) die Initiative Food and Agriculture for Sustainable Transformation (FAST) ins Leben gerufen, um die Beiträge der Klimafinanzierung zur Umgestaltung der Systeme der Ernährungswirtschaft bis 2030 zu erhöhen und zu verbessern.
Während der Fokus auf die Systeme der Ernährungswirtschaft ein willkommenes Novum war, waren die Verpflichtungen zur Umsetzung von Maßnahmen, insbesondere auf Unternehmensebene, weniger konkret.
Unternehmen müssen sich weiterhin engagieren
Auch wenn viele von den Ergebnissen der COP enttäuscht sein mögen, gab es doch auch Fortschritte, wenn auch in geringem Maße. Ungeachtet aller Enttäuschungen muss die Privatwirtschaft ihre Anstrengungen für eine globale Antwort auf die Klimakrise fortsetzen.
Wenn Unternehmen auf Veranstaltungen wie der COP zahlreich erscheinen, können sie den Regierungen signalisieren, dass sie mit an Bord sind und sich für eine mutige Klimaschutzagenda einsetzen – vor allem in einer Zeit, in der die Regierungen zu versagen drohen.
Es ist höchste Zeit, etwas für unseren Planeten zu tun. Wie das zwischenstaatliche Expertengremium für Klimaänderungen (IPCC) zu Beginn dieses Jahres feststellte, haben wir nur noch wenige Monate Zeit, den Weg für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu ebnen.
Die Aufmerksamkeit ist schon wieder auf die Biodiversitätskonferenz COP15 kommenden Monat und die COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten im kommenden Jahr gerichtet. Daher muss die Wirtschaft mit lauter Stimme dazu aufrufen, die Verpflichtungen für die Umsetzung von Maßnahmen aufrechtzuerhalten und zu stärken. So laut, dass sie nicht mehr ignoriert werden kann.