Was Marketingfachleute wissen müssen, um eine Unternehmenskultur zu schaffen, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und frei von Greenwashing ist.
Marketing spielt bei der Erschließung neuer Märkte, der Schaffung von Nachfrage und der Außendarstellung eines Unternehmens eine wichtige Rolle. Daher haben Marketingteams einen entscheidenden Einfluss, wenn es um nachhaltige Transformation von Unternehmen und Mentalitäts- und Verhaltensänderung geht. Die CMOs sind sich dieses Einflusses eher bewusst als andere Führungskräfte, doch dieser Einfluss geht auch mit einer Verantwortung einher.
Inmitten eines immer stärker regulierten Umfelds werden die Rufe nach mehr Unternehmensverantwortung lauter und die öffentliche Wahrnehmung von Greenwashing nimmt zu. Dadurch werden Kommunikation und Marketing in Sachen Nachhaltigkeit in vielen Unternehmen mit Vorsicht angefasst. Nur wenigen Kampagnen ist es bisher gelungen, die richtige Balance zu finden. Zurückhaltung ist allerdings auch keine Lösung und kann die mühsam aufgebaute Reputation eines Unternehmens ebenso schädigen wie eine Klage wegen Greenwashings.
Wie können CMOs also ihre Marke schützen und gleichzeitig den Status quo verändern? Schaffen Sie in Ihrem Unternehmen ein Mindset für Nachhaltigkeit. Und so gehen Sie dabei am besten vor:
Greenwashing und Greenhushing: Die komplizierte Navigation durch die Gewässer der Nachhaltigkeitskommunikation
Die größte Herausforderung, der sich Marketingfachleute stellen müssen, wenn sie den Nachhaltigkeitsfortschritt ihres Unternehmens oder ihrer Produkteigenschaften vermitteln wollen, ist der mögliche Vorwurf des Greenwashings. Greenwashing kann überraschend schnell passieren – ob absichtlich oder versehentlich. Dem gegenüber steht die Sorge, etwas Falsches zu sagen, und so besser gar keine oder bloß Aussagen ohne jegliche Substanz zu treffen. Sehen wir uns die Konzepte einmal genauer an.
Greenwashing
Greenwashing bedeutet, dass ein Unternehmen seine Umweltbemühungen überhöht darstellt, indem es sich selbst oder seine Produkte als nachhaltig bewirbt oder Nachhaltigkeit suggeriert, ohne Maßnahmen ergriffen zu haben, die diese Aussagen untermauern oder die Aussagen belegen zu können. Und das kommt häufiger vor, als Sie vielleicht denken.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Greenwashing absichtlich oder versehentlich erfolgt, da man den Handlungen von Marketingfachleuten generell eine gewisse Absicht unterstellt. Der Unterschied liegt vielmehr in der Wahrnehmung.
Absichtliches Greenwashing
Das vorsätzliche und bewusste Herauspicken positiver Attribute gegenüber den negativen Auswirkungen, übertriebene Versprechen oder das Auslassen/Verbergen wichtiger Informationen sind übliche Kennzeichen für absichtliches Greenwashing. Natürlich haben nicht alle Marketingmitarbeiter zu jeder Zeit Greenwashing im Sinn – vielleicht klang der Satz letztendlich so einfach besser.
Versehentliches Greenwashing
Wenn Botschaften ungeprüft oder ungenau übernommen oder erstellt werden, können sich Marketingexperten auch unbewusst des Greenwashings schuldig machen. Sie glauben vielleicht sogar, dass die Aussagen zutreffen, weil sie ungeprüft die Angaben anderer übernehmen oder wichtige Faktoren nicht berücksichtigen. Daher ist es für CMOs äußerst wichtig, nicht nur die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsbemühungen ihres Unternehmens zu verstehen, sondern auch deren Details.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
Greenwashing schadet nicht nur den Verbrauchern, sondern langfristig auch dem Markenimage. Wie Grasflecken auf einem weißen Hemd bleiben auch beim Greenwashing Spuren zurück, die man nicht so leicht wieder beseitigen kann.
Nehmen wir an, ein in den USA ansässiges Unternehmen bietet eine cholesterinarme, pflanzliche Butteralternative an. Nachdem Sie alle Kennzahlen Ihres Produkts, inklusive Vertrieb, berücksichtigt haben, stellen Sie fest, dass es einen deutlich geringeren Einfluss auf die Umwelt hat als das entsprechende tierische Produkt. Darauf sind Sie so stolz, dass Sie es zur Kern-Werbeaussage machen.
Stellen Sie sich nun vor, dass das Produkt super ankommt und den Konsumenten gefällt, weil es so gut schmeckt, gesund ist und dabei auch noch umweltfreundlich. Sie planen, nach Europa zu expandieren.
Ihr Team übersetzt mit Feuereifer die Marketingtexte und hebt die herausragenden Eigenschaften in allen wichtigen europäischen Sprachen hervor – die Kampagne entspricht also ziemlich genau der in den USA. Plötzlich bekommen Sie in all diesen Märkten starken Gegenwind wegen Greenwashing-Vorwürfen. Was ist schiefgelaufen?
An der Übersetzung liegt es nicht, sondern Sie haben einen wichtigen Aspekt vergessen: den Transport. Es ist niemandem aufgefallen, dass sich der ökologische Fußabdruck erheblich verändert, wenn ein Produkt per Schiff über den Atlantik befördert werden muss. Damit haben die zusätzlichen Emissionen durch den Transport über die lange Strecke die Vorteile der tierfreien Herstellung zunichtegemacht. Und dadurch entsteht eine falsche Werbeaussage (wenn auch unbeabsichtigt).
Man kann zwar argumentieren, dass es die Marketingleute hätten besser wissen müssen – doch im Grunde lag es daran, dass in der Unternehmenskultur keine Mechanismen etabliert waren, die solche Dinge infrage stellen. Es kann gut sein, dass das Marketingteam gar nicht wusste, wie es zu den ursprünglichen Produktaussagen kam. Vielleicht hätte dies allgemein bekannt sein sollen, aber dazu muss es eben auch vermittelt werden.
Greenhushing
Am anderen Ende des Kommunikationsspektrums zur Nachhaltigkeit steht das sogenannte Greenhushing. Das bedeutet, dass Unternehmen zu wenig oder gar nicht über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten sprechen. Das kann verschiedene Gründe haben.
- Man möchte sich nicht den Vorwürfen des Greenwashings aussetzen. Durch die große öffentliche Aufmerksamkeit und strengere Vorschriften stehen Marken unter stärkerer Beobachtung als je zuvor. Ein Fehltritt kann zu einer irreparablen Rufschädigung führen.
- Nachhaltigkeitsziele sind heute der Standard, nicht die Ausnahme. Geringe, zu kurz greifende oder unbedeutende Änderungen lassen sich nicht gut vermitteln. Wenn die Nachhaltigkeitsziele Ihres Unternehmens eher auf „weniger ist mehr“ ausgerichtet sind oder nicht im Einklang mit Ihrem Markenversprechen stehen, ist es schwierig, eine eindrucksvolle Kommunikationsstrategie aufzubauen, die Vertrauen schafft und die Herzen der Menschen gewinnt.
- Wenn Unternehmen darüber reden, was sie tun, zeigen sie oft auch, was sie nicht Unternehmen haben Angst, nicht genug zu tun– was ihnen auch tatsächlich vorgeworfen werden kann – oder dass sie in der Kundenwahrnehmung nicht zu ihren Versprechen stehen.
- Einige befürchten, dass es nach hinten losgehen kann, Produkte als nachhaltig zu bewerben, weil manche Konsumenten Produkte mit dem Label „umweltbewusst“ eventuell eher als weniger effektiv wahrnehmen oder andere Nachteile darin sehen.
Aber auch Funkstille löst das Problem nicht. Greenhushing kann dazu führen, dass Unternehmen als weltfremd, kühl oder ignorant wahrgenommen werden. Zudem kann es die Nachhaltigkeitsprozesse verlangsamen. Kommunikation über Nachhaltigkeitsbemühungen kann dazu beitragen, Nachhaltigkeitsnormen zu etablieren und auf dem Markt Druck zu erzeugen, der dazu führt, dass andere Unternehmen, Akteure entlang der Wertschöpfungskette und sogar die Konsumenten aktiv werden. Zudem trägt Greenhushing dazu bei, dass sich Nachhaltigkeitsnormen in Regionen, in denen sie sowieso einen niedrigeren Stellenwert haben, noch langsamer durchsetzen.
Das Vertrauen steht auf dem Spiel
Es sollte niemanden überraschen, dass die Kunden das Vertrauen verlieren. Schlagwörter wie „grün“, „Co2-neutral“ oder „emissionsfrei“ klingen anfangs vielleicht gut, sagen jedoch wenig aus. Wenn so viele Unternehmen angeblich emissionsfrei arbeiten, warum haben wir dann solche Probleme? Klimakrise, Biodiversitätsverlust, Wasserknappheit und Bodenabbau werden auf dem Planeten immer schlimmer. Meldungen, die früher für Optimismus gesorgt haben, rufen jetzt oft nur noch Zynismus hervor. Es wird für Unternehmen, die wirklich etwas tun, immer schwieriger, ihre Geschichte zu erzählen, wenn positive Begriffe aufgrund von Missbrauch an Bedeutung verlieren.
CMOs sollten im Blick behalten, dass der Vertrauensverlust unter den Konsumenten für Unternehmen kostspielig ist. Ein aktueller Artikel im Harvard Business Review hebt hervor, „dass Unternehmen, denen Greenwashing vorgeworfen wird, im Schnitt 1,34 % an ihrem ACSI-Wert (American Customer Satisfaction Index), der die Kundenzufriedenheit misst, einbüßen“. Das ist gar nicht so wenig, wie es klingt, denn „selbst kleine Veränderungen der Kundenzufriedenheit können erhebliche Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens haben. Eine Veränderung von nur einer Einheit an Kundenzufriedenheit (gemäß ACSI) führt schätzungsweise zu 0,032 Einheiten an Veränderung an Nettogewinn pro Anteil (EPS) und 0,40 Einheiten an Veränderung in der Rendite (ROI)“.
Und auch wenn man damit argumentiert, dass das verbreitete Greenwashing endet, wenn Kunden ihren Zynismus in Kaufverhalten umwandeln, bleibt das Problem in den Medien doch präsent, wenn es die Regulierungsbehörden auf den Plan ruft. Ein bei der COP27 veröffentlichter UN-Bericht hebt das Problem des Greenwashings hervor und spricht einige sinnvolle Empfehlungen aus, wie etwa solche Aussagen durch IPCC-oder IEA-Ziele zu unterfüttern und dadurch „einen nennenswerten Beitrag zu den globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten“.
Was aus diesen Empfehlungen folgt, bleibt abzuwarten. Doch Unternehmen sollten sich darauf gefasst machen, unter stärkerer Beobachtung zu stehen – wenn nicht durch die Regulierungsbehörden, dann durch NGOs oder ihre eigenen Kunden.
5 entscheidende Möglichkeiten, Greenwashing zu vermeiden
Es ist wichtig zu erkennen, was unausgesprochen im Raum steht: Konventionelles Marketing funktioniert nicht unbedingt, wenn es um ökologische Nachhaltigkeit geht. Eventuell ist es sogar der Kern des Problems.
Für Marketingexperten ist es ganz normal, positive Aspekte hervorzuheben und alles Negative herunterzuspielen. Leider steht dies einer ehrlichen und glaubwürdigen Kommunikation im Wege, die im Bereich Nachhaltigkeit allerdings entscheidend ist. CMOs müssen ihren Teams einen anderen Ansatz vorleben, wozu auch ein Wechsel in Kultur und Mentalität gehört. Im Folgenden finden Sie einige wichtige Maßnahmen, die CMOs ihren Teams mit auf den Weg geben können:
- Integrieren Sie die Nachhaltigkeit in berufliche Entwicklungspläne. Sorgen Sie dafür, dass die Marketingteams über ein Grundverständnis zur Nachhaltigkeit und den Auswirkungen des Unternehmens verfügen. Ein eindeutiges Verständnis der Fakten ist unumgänglich, wenn authentische Kommunikation funktionieren soll. Stellen Sie tiefgehende, schwierige Fragen – bevor Ihre Kritiker und Kunden es tun. Wenn der herkömmliche Betrieb und die Geschäftsmodelle auf den ersten Blick „grün“ erscheinen, stellen Sie gemeinsam schwierigere Fragen. Gibt es Verhaltensweisen, die Ihren Nachhaltigkeitsbemühungen und -zielen entgegenlaufen? Was sind Ihre Ziele und warum?
- Validieren und untermauern Sie Aussagen im Rahmen der Abteilungsrichtlinien. Wenn es um die Kommunikation zur Nachhaltigkeit geht, ist weniger nicht gleich mehr – und das Risiko, Fehler zu begehen, ist beachtlich. Die Marke eines CMOs verliert sämtliche Glaubwürdigkeit, wenn sie Aussagen trifft, ohne gleichzeitig Quellen und Informationen zu liefern. Schaffen Sie dafür Kontrollinstanzen und bewährte Verfahren. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserem „Leitfaden für glaubwürdige, wissenschaftsbasierte Angaben zum ökologischen Fußabdruck“.
- Holen Sie sich die richtige Unterstützung, wenn Sie verantwortungsvoll kommunizieren möchten. Es genügt nicht, wenn Ihre internen Teams auf dem Laufenden bleiben und glaubwürdig über die Nachhaltigkeitsbemühungen Ihres Unternehmens kommunizieren können – das alles gilt auch für Ihre externen Partner. Wenn Ihre bevorzugte Agentur nicht über den nötigen Sachverstand verfügt oder Ihre Nachhaltigkeitsziele nicht korrekt vermittelt, laufen Sie in ein neues Risiko. Suchen Sie sich einen Partner mit dem erforderlichen Fachwissen, der Ihr Team immer wieder mit den passenden Fragen fordert und blinde Flecken aufzeigt.
- Kommen Sie ins Handeln. Marketingteams haben ein ureigenes Interesse daran, wie ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. So haben sie immer ein gutes, wenn auch einseitiges, Argument für Veränderungen: Die Markenreputation verlangt es. Die besten Geschichten sind jene mit Substanz. Ehrliche und direkte Handlungen steigern die Beliebtheit Ihrer Marke. Deshalb ist es wichtig, dass sich diese Erkenntnis bis in jeden Winkel Ihrer Organisation durchsetzt.
- Bleiben Sie ehrlich. Sie sollten stets transparent machen, wo Sie sich befinden, wo Sie hin möchten und (soweit möglich) wie Sie ihre Ziele erreichen wollen. Riskieren Sie nicht Ihren Ruf, indem Sie falsche Fortschritte (oder gar Perfektion) verkünden. Wenn Ihr Unternehmen seine Ziele verfehlt, muss es in Ordnung sein, dies einzugestehen. Ihr Unternehmen würde ja auch nicht entscheiden, Umsätze zu verschweigen, wenn die Gewinne hinter den Erwartungen zurückbleiben – warum also sollte das in der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit anders sein?
Es gibt noch viel zu tun
Glaubwürdige Kommunikation ist nur eine Möglichkeit, wie CMOs zu den Nachhaltigkeitsbemühungen ihres Unternehmens beitragen können. Es gibt noch weitere Marketingoptionen (Preis, Werbung, Platzierung und Produkte), die das Verhalten von Unternehmen und Kunden nachhaltiger gestalten können.
Zudem können Ihre Bemühungen allein deswegen Früchte tragen, weil Sie eine gute Erinnerung daran sind, dass der Kunde Sie stets beobachtet. Dies ist eine gute Motivation dafür, am Erfolg Ihres Unternehmens weiterzuarbeiten. Und am Ende ist die Nachhaltigkeit – und zwar auf realistische und ehrliche Weise – schneller als gedacht ein zentraler Bestandteil Ihrer Marke.